Qualitätsindikatoren

Die EKQMB plant, drei Qualitätsindikatoren der Prozessqualität und drei Qualitätsindikatoren der inhaltlichen Qualität in der medizinischen Begutachtung zu erheben.

Die Qualitätsindikatoren (QI) geben Hinweise auf die Qualität der Gutachten. Sie dienen der Überwachung und der Bewertung der Qualität medizinischer Gutachten. Sie sollen die Aufmerksamkeit auf potentielle Problembereiche lenken, die einer vertieften Überprüfung bedürfen. Die Qualität der Gutachten ist entscheidend, weil diese zum unverzichtbaren Verfahren für die Beurteilung des Gesundheitszustandes der versicherten Personen und damit zu einem wichtigen Element für die Leistungsentscheide der Versicherer geworden sind. Die EKQMB hat sechs grundlegende Qualitätsindikatoren entwickelt, von denen drei den Ablauf des Begutachtungsprozesses selbst bewerten. Sie beziehen sich auf die Art und Weise, wie die medizinische Untersuchung durchgeführt wird und wie die Gutachten erstellt werden. Die anderen drei Indikatoren konzentrieren sich auf die Ergebnisse der Begutachtung. Sie untersuchen, wie genau und zuverlässig der Gesundheitszustand oder die Arbeitsfähigkeit einer Person beurteilt wurden.

Die Qualitätsindikatoren sollen die Qualität der Begutachtung verbessern, sie für die Öffentlichkeit transparenter machen und den Qualitätsdialog der Auftraggeber mit den Gutachterstellen sowie den Sachverständigen fördern. 

1. Bearbeitungsfristen dürfen nicht zu lang sein.

Anteil der Gutachten, die innerhalb von 100 Tagen nach dem Untersuchungstermin erstellt wurden.

Was es bedeutet: Nachdem jemand medizinisch untersucht wurde, sollte der Gutachtenbericht zeitnah erstellt werden. Das liegt daran, dass längere Wartezeiten oft Probleme und Unsicherheiten verursachen können.
Warum es wichtig ist: Wenn die Berichterstellung zu lange dauert, könnte dies Qualitätsprobleme verursachen. Zu lange Wartezeiten können auch die Qualität des Berichts beeinflussen, weil Details mit der Zeit in der Erinnerung verschwimmen können. Die Situation der untersuchten Person kann sich auch ändern und so die Wichtigkeit des Gutachtens verringern.
Wie wird es gemessen: Das Untersuchungsdatum kann dem Gutachtenbericht entnommen werden. Der Zeitraum zwischen der Untersuchung und dem Eingang des Gutachtens bei der zuständigen IV-Stelle sollte nicht mehr als 100 Tage betragen. Bei bi- und polydisziplinären Gutachten wird die Bearbeitungsdauer seit dem letzten Untersuchungsdatum einer Teildisziplin berechnet. 

2. Dauer des Untersuchungsgesprächs muss der Fallkomplexität angemessen sein.

Anteil der Gutachten, bei denen die Dauer der Untersuchung in einem angemessenen Verhältnis zur Komplexität des Falles stand.

Was es bedeutet: Die Länge des Untersuchungsgesprächs sollte der Schwierigkeit und dem Umfang der zu besprechenden Themen entsprechen. Bei besonders komplexen Fällen ist es notwendig das Gespräch zu verlängern oder sogar mehrere Gespräche zu führen.
Warum es wichtig ist: Ein zu kurzes Gespräch könnte bedeuten, dass nicht alle wichtigen Informationen besprochen wurden, was zu einer unvollständigen oder ungenauen Bewertung führen kann.
Wie wird es gemessen: Die genaue Dauer des Untersuchungsgesprächs muss im Bericht festgehalten werden. Andere Fachexperten können dann Gutachtenberichte lesen und bewerten, ob die Dauer angemessen war. Dieses Prüfverfahren, bei dem Kollegen die Arbeit überprüfen, nennt man "Peer Review" und es hilft dabei, die Qualität der Begutachtung zu gewährleisten. Die EKQMB entwickelt derzeit ein standardisiertes Peer-Review-Verfahren, das zukünftig im Rahmen der Qualitätssicherung eingesetzt werden soll. Die Erhebung dieses QI erfolgt auf der Grundlage einer Fallstichprobe.

3. Ethische Grundprinzipien des Begutachtungsgesprächs: Ein respektvoller und fairer Ablauf muss gewährleistet sein.

Dieser QI wird von der EKQMB als sehr wichtig erachtet, weshalb eine entsprechende Erhebung zum Erleben der
Begutachtungssituation durch die zu begutachtenden Personen geplant ist. Nach Durchführung und Auswertung der ersten Erhebung wird der QI weiter ausformuliert und präzisiert.

Was bedeutet das? Die Gutachterinnen und Gutachter sollen den Ablauf der Prüfung klar und verständlich erklären. Die Gutachterinnen und Gutachter behandeln die zu untersuchende Person freundlich und respektvoll. Dies hindert sie jedoch nicht daran, alle Fragen zu stellen, die gestellt werden müssen, auch wenn diese nicht angenehm sind. Der zu untersuchenden Person soll genügend Zeit eingeräumt werden, damit sie über ihre Probleme und Erfahrungen sprechen kann. 
Warum ist es wichtig: Die Begutachtung stellt für die zu begutachtende Person eine besondere Situation dar. Deshalb ist es wichtig, dass sie sich während des Gesprächs wohl und verstanden fühlt. Ein fairer Ablauf führt dazu, dass die Person dem Gutachter vertraut und offen über ihre Probleme spricht, was letztlich zu genaueren Begutachtungsergebnissen führt.
Wie wird es gemessen: Der faire Verlauf des Begutachtungsgesprächs kann mit Hilfe eines Fragebogens zum Erleben der Begutachtungssituation erhoben werden, der von der untersuchten Person unmittelbar nach dem Untersuchungsgespräch ausgefüllt wird. Der Fragebogen kann Fragen enthalten wie "Fühlten Sie sich während des Interviews respektiert?", "Wurde Ihnen der Ablauf klar erklärt?" oder "Hatten Sie genügend Zeit, um über Ihre Probleme zu sprechen?". In einigen Fällen kann es auch hilfreich sein, die Tonaufnahme des Gesprächs von einer unabhängigen Drittperson auswerten zu lassen.

4. Nachvollziehbare Begründung der Diskrepanzen zu Vorberichten

Anteil der Gutachten, in denen die relevanten medizinischen, beruflichen und Eingliederungsberichte nachvollziehbar diskutiert werden.

Was es bedeutet: Stimmt das aktuelle Gutachten in Bezug auf Diagnosen und Arbeitsfähigkeit nicht mit früheren medizinischen Beurteilungen überein, muss die Gutachterin oder der Gutachter diese Widersprüche klar und nachvollziehbar begründen.
Warum es wichtig ist: Eine fehlende Klärung von Diskrepanzen kann zu einer falschen Beurteilung der Arbeitsfähigkeit führen. Eine klare und nachvollziehbare Begründung sorgt für Fairness und Transparenz im Begutachtungsprozess und beugt möglichen Missverständnissen oder Fehlentscheidungen vor. Dies fördert die Akzeptanz des Ergebnisses.
Wie wird es gemessen: Diskrepanzen und deren Begründungen können im Rahmen von Peer Reviews durch erfahrene und unabhängige Ärztinnen und Ärzte überprüft werden. Die Erhebung dieses QI erfolgt auf der Grundlage einer Fallstichprobe.

5. Berücksichtigung der Ressourcen, Belastungen und Funktionseinschränkungen bei der Begutachtung

Anteil der Gutachten, in denen sowohl die Ressourcen als auch die Belastungen und Funktionseinschränkungen der zu begutachtenden Person im Rahmen der Begutachtung berücksichtigt und nachvollziehbar diskutiert werden.

Was es bedeutet: Bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit sind alle relevanten physischen und psychischen Gegebenheiten sowie die Persönlichkeit und die relevanten Umweltfaktoren einer Person zu berücksichtigen. Dazu gehören ihre Stärken und Fähigkeiten (Ressourcen) ebenso wie die persönlichkeitsbedingten Funktionseinschränkungen, als auch die Herausforderungen und Belastungen, denen sie im Arbeitskontext begegnen kann.
Warum es wichtig ist: Die Arbeitsfähigkeit beruht auf einer Vielzahl von Faktoren. Eine ganzheitliche Beurteilung, die alle relevanten Punkte berücksichtigt, ermöglicht eine fundierte und faire Einschätzung.
Wie wird es gemessen: Die Überprüfung, ob alle relevanten Aspekte berücksichtigt wurden, kann im Rahmen eines Peer Reviews durch erfahrene und unabhängige Ärztinnen und Ärzte erfolgen. Die Erhebung dieses QI erfolgt auf der Grundlage einer Fallstichprobe.

6. Die gutachterliche Beurteilung der Konsistenz und Plausibilität muss nachvollziehbar begründet werden

Anteil der Gutachten, bei denen die Konsistenz- und Plausibilitätsprüfung vorgenommen und im Gutachtenbericht nachvollziehbar begründet wurde.

Was es bedeutet: Die Gutachterinnen und Gutachter müssen bei ihrer Beurteilung die Informationen aus den Vorakten, die Angaben der versicherten Personen, die Beschwerden und die Befunde berücksichtigen. Bei der Konsistenz- und Plausibilitätsprüfung wird untersucht, ob die medizinischen Informationen stimmig sind, ob die berichteten Symptome mit den Untersuchungsergebnissen und den erfolgten Therapien übereinstimmen. Wenn bestimmte Informationen widersprüchlich sind oder nicht logisch erscheinen, muss geklärt werden, worauf dies zurückzuführen ist. Es ist möglich, dass solche Widersprüche krankheitsbedingt sind oder andere Ursachen haben. Mögliche Widersprüche sind im Gutachten anhand konkreter Beispiele zu dokumentieren und zu diskutieren.
Warum es wichtig ist: Die gutachterlichen Feststellungen zur Konsistenz und Plausibilität spielen nach der Rechtsprechung eine wichtige Rolle bei der Beurteilung des Leistungsanspruchs einer versicherten Person. Sie müssen daher sehr gut begründet sein und konkrete Beispiele und Erörterungen enthalten. Andernfalls ist zu befürchten, dass es zu einer unzutreffenden Entscheidung der Leistungen durch die Versicherungen kommt.
Wie wird es gemessen: Die Überprüfung der Beurteilung von Konsistenz und Plausibilität kann im Rahmen eines Peer Reviews durch erfahrene und unabhängige Ärztinnen und Ärzte durchgeführt werden. Die Erhebung dieses QI erfolgt auf der Grundlage einer Fallstichprobe.

Die QI 1,2, 4, 5, 6 sollen zukünftig im Rahmen eines Peer-Review-Verfahrens anhand definierter Prüffragen, die auch klare Ankerdefinitionen enthalten, beurteilt werden, damit die Umsetzung sowohl durch die EKQMB im Rahmen der globalen Qualitätsprüfung als auch ggf. im Rahmen der fallbezogenen Qualitätskontrollen einheitlich erfolgen kann.

Eine Ausnahme bildet der dritte Indikator, der den fairen Ablauf im Fokus hat. Hier plant die Kommission zur Validierung eine Versichertenbefragung anhand eines Fragebogens zum Erleben der Begutachtungssituation (siehe Gutachten von Muschalla et al. 2023). Nach Durchführung und Auswertung der ersten Erhebung soll dieser Indikator weiter präzisiert werden. Über das weitere Vorgehen wird die EKQMB im Verlauf des Jahres 2024 entscheiden.

Es ist denkbar, dass die EKQMB als Ergebnis der durchgeführten Evaluationen beziehungsweise der Identifizierung von häufigen Fehlerpunkten weitere Qualitätsindikatoren formulieren wird. Umgekehrt können einige Indikatoren aufgrund nachhaltiger Qualitätsverbesserungen an Bedeutung verlieren.

Gleichzeitig ist es wichtig zu betonen: Die Qualitätsindikatoren dienen als Ausgangspunkt, um die Qualität der Begutachtung kontinuierlich zu steigern und Qualitätsstandards zu etablieren. Sie liefern nur Anhaltspunkte für die Einhaltung der Qualitätsvorgaben. Selbstverständlich gehen für die EKQMB die Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften beziehungsweise die Vorgaben des BSV für die Erstellung von sozialversicherungsrechtlichen Gutachten vor.

Letzte Änderung 05.04.2024

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